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Eine kontroverse Fußball-WM 2022 – die Schülerreporter klären auf

Erstellt von Beni, Linda, Melek, Nuria (7a) |

Die Fußball-Weltmeisterschaft neigt sich langsam ihrem Ende. Am 18. Dezember findet das Finale zwischen Argentinien und Frankreich statt – das Ende einer WM, die für viele Diskussionen sorgte und auch weiterhin in der Kritik steht. Der Grund dafür ist einerseits der Austragungsort Katar und der umstrittene politische Rahmen dort, andererseits die mutmaßliche Korruption in der FIFA.

Ein komplexes Thema, dem sich die Schülerreporter des Genoveva-Gymnasiums Köln gestellt haben. Im Zuge dieses Artikels haben wir mit Univ.-Prof. Dr. Jürgen Mittag vom Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung sowie Dimitrios Papadopoulos, Videoreporter und Sportjournalist vor Ort in Katar, gesprochen.

Warum gibt es so viel Kritik an der Fußball-WM 2022?

Sport-Großveranstaltungen finden seit zwei Jahrzehnten vermehrt in nicht westlichen Ländern statt, inzwischen unter anderem auch im arabischen Raum. Für die WM 2022 wählte die FIFA Katar aus, das „im Hinblick auf Kriterien wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, politische Rahmenbedingungen nicht unbedingt den Standards entspricht, wie der Westen sie kennt, was in der Summe dazu geführt hat, dass in erheblicher Form Kritik in den Medien aufgekommen ist und diese sich mit den Rahmenbedingungen dort beschäftigt haben“, erklärt Prof. Dr. Mittag.

Eine laute Debatte war und ist die „One Love“-Binde und die damit zusammenhängenden eingeschränkten Rechte für die LGBTQ-Community, aber auch die neuen Einkaufszentren, die extra für die WM-Saison gebaut wurden, erzählt Sportjournalist Dimitrios Papadopoulos, kurz Dimi. „Wir haben quasi im Nichts gewohnt und da wurden vier Malls nebeneinander platziert und jede ist komplett leer. Wie sieht das nach der WM aus, wenn die ganzen Leute weg sind? Denn der einfache Arbeiter kann sich das nicht so einfach leisten, in den Malls zu schoppen.“ Vermutlich werden viele wieder abgebaut, so wie es bereits mit den Fußball-Stadien der Fall ist, was neben der Umweltkritik noch in vielen weiteren Punkten problematisch ist.

Was erschwerend hinzu kommt, sind die vielen Gastarbeiter, die in den vergangenen Jahren bis zur WM beim Bau der Stadien ums Leben gekommen sind. Allerdings kursieren unterschiedliche Zahlen im Internet: von drei bis über 15.000 verstorbenen Menschen. Prof. Dr. Mittag zufolge ist es wichtig, genau hinzuschauen, wie viele im Kontext der Fußball-Weltmeisterschaft gestorben sind. Auf den Baustellen seien zwischen fünf und 500 Menschen gestorben, aber auch da sei nicht gewiss, ob es sich um Unfälle handelt, die mit Baumaßnahmen zusammenhängen.

Kommentar von Melek: In Katar ist es ziemlich heiß, aber die Hitze ist nicht das einzige Problem, sondern dass die Arbeiter so viel schuften mussten. Und sie bekamen nicht mal Urlaub. Das ist echt traurig, dass sie so lange arbeiten mussten.

Ein Grund, warum aber speziell auf die verstorbenen Gastarbeiter in Katar geblickt wurde, hängt laut Prof. Dr. Mittag unter anderem mit dem dort vorherrschenden Kafala-System zusammen. „Das heißt, dass ausländische Menschen, die dort arbeiten, sozusagen keine eigenen Rechte haben, sondern viele Rechte abgeben, wie zum Beispiel, dass sie keinen eigenen Personalausweis haben.“ Das habe zu viel Kritik und Irritation geführt, weshalb die Zahlen weitaus kontroverser diskutiert wurden.

Wenn die WM in Katar so umstritten ist, warum findet sie überhaupt dort statt?

Für die Vergabe, wo die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet, war ein FIFA-Gremium zuständig. Das sogenannte FIFA-Exekutivkomitee hat sich 2010 für Katar entschieden. Allerdings war Katar laut den Prüfungsberichten am schlechtesten geeignet für die WM. Erstaunlicherweise setzte man sich mit vierzehn zu acht Stimmen gegen die USA durch.

Prof. Dr. Mittag erklärt, dass Katar viel Werbung in eigener Sache betrieben hat – alles „selbstverständlich“ eine Grauzone. Er verweist aber auch auf andere Länder, die Gleiches getan haben, so auch Deutschland, der WM-Austragungsort 2006. „Diese Fußball-Weltmeisterschaften sind seit 20 oder 30 Jahren nicht anders zu erhalten, als wenn man solche Formen der Einflussnahme und Lobbypolitik betreibt. Das ist nicht gut und bereitet dem Ganzen auch ein negatives Umfeld, aber das sind die realen Bedingungen, unter denen Sport-Großveranstaltungen gegenwärtig stattfinden, die eben zu einem erheblichen Maße kommerzialisiert sind.“

Im Fall Katar kam jedoch hinterher heraus, dass mehrere FIFA-Funktionäre auf direktem Wege bestochen wurden. Es gab Gerichtsverfahren gegen insgesamt sieben Mitglieder des Exekutivkomitees wegen Korruption und sie wurden teilweise verurteilt.

Besserung bei der FIFA und Katar

Weil sowohl Medien als auch internationale Menschenrechts-Organisationen Katar kritisch beobachten, habe man vor allem dort, wo der Blick der Öffentlichkeit hinzielt, die Situation verbessert, heißt es von Prof. Dr. Mittag. Höhere Löhne, weniger Arbeit in der Hitze, bessere Sicherheitsstandards und weitere Arbeitsbedingungen wurden für Baustellenarbeiter angepasst. „Die Verbesserungen gingen jetzt nicht so weit, dass sie unseren Rahmenbedingungen entsprechen würden, aber zumindest ist die Situation deutlich besser als sie es 2011 oder 2012 war.“ Für diese Veränderungen haben sich sowohl Katar als auch die FIFA eingesetzt.

Die aktuelle Stimmung und die Leute vor Ort sind laut Dimi friedlich und herzlich, „aber es fehlt diese Fußballbegeisterung“. Er beschreibt: „Das merkt man in der Stadt und in den nie vollen Stadien. Die Südamerikaner machen zwar immer noch gute Stimmung, aber gerade Europäer sind etwas verhaltener.“

Auch bei der FIFA hat sich etwas getan. So wurde das ehemals Exekutivkomitee durch den weitaus größeren FIFA-Rat ersetzt, über die WM-Vergabe stimmt nun der FIFA-Kongress ab, eine Versammlung aller 211 Nationalverbände, die Mitglied der FIFA sind. Hinzu kommt, dass das Abstimmungsverhalten jedes Verbandes öffentlich gemacht wird.

Auch Jugendliche sollten sich mit der WM-Kritik auseinandersetzen

Können Schülerinnen und Schüler das Sportevent einfach als solches schauen, ohne sich mit dem politischen Geschehen im Hintergrund zu beschäftigen? Oder sollten sie sich für den in den Medien und auf Social Media oftmals geforderten Boykott einsetzen?

Prof. Dr. Mittag ist der Meinung, dass natürlich jeder die WM schauen darf, und er möchte sie niemandem abreden, schließlich „bringt sie Menschen zusammen und führt auch durchaus zu positiven Dingen wie Freude, Spannung, Miteinander und Austausch“. Aber auf der anderen Seite sollte man sich trotzdem mit der Situation kritisch auseinandersetzen und die Hintergründe verstehen, „denn Sport und Politik sind eng miteinander verbunden“, so Prof. Dr. Mittag. Ein Boykott, also aus Protest etwas nicht unterstützen, um darauf aufmerksam zu machen, hält er generell für den falschen Ansatz.

Kommentar von Linda: Ich schaue die WM teilweise. Mir ist bewusst, was in Katar passiert und passiert ist, aber ich finde auch, dass wir Schüler nichts dafür können, was vor 12 Jahren entschieden wurde. Wir sollten uns mit der kritischen Lage dennoch auseinandersetzen.

Die Schülerreporter haben sich mit der Thematik auseinandergesetzt, um ihr Wissen und ihre Erkenntnisse mit den Schülerinnen und Schülern des Genoveva-Gymnasiums Köln zu teilen – mit Erfolg.

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